Demut in der Reiterei, eine wichtige Eigenschaft
Viele wichtige Eigenschaften werden einem guten Pferdemenschen oder Ausbilder nachgesagt, Timing, Feeling und Balance sind die Klassiker. Eine ganz wichtige Eigenschaft, die wir aber nie vergessen sollten, wie ich finde, ist Demut.
Steht man in der Öffentlichkeit hat man Kritiker und Bewunderer und nichts ist einfacher, als sich selbst durch die Kritik an anderen zu profilieren. Aber auch als Privatperson, und das kenne ich von mir selbst, ist man schnell geneigt, z.B. in den sozialen Medien zu kritisieren oder nach Fehlern zu schauen, was absolut menschlich ist. Bei den sogenannten Profis ist es nicht anders, manchmal hat man das Gefühl, keiner gönnt dem anderen die Butter auf dem Brot.
Dabei gibt es gerade im Pferdebereich natürlich eine wissenschaftliche Basis, aber eben auch 100te verschiedene Wege und Möglichkeiten, da Pferde und Menschen ganz unterschiedlich sind. Was für das eine Pferd gut ist, muss für ein anderes noch lange nicht der richtige Ausbildungsweg sein, ein System mit dem sich ein Mensch identifizieren kann ist für einen anderen eventuell völlig unpassend. Hinzu kommen dann endgültige Aussagen und Dogmen nach dem Motto „man kann nicht“, oder „dies ist nicht möglich“- dabei wäre „ich kann nicht“ oder „meiner Meinung nach ist das nicht möglich“ doch viel richtiger. Ich persönlich habe z.B. noch kein Pferd komplett frei ohne Zäumung ausgebildet, würde aber nicht sagen, dass es nicht möglich ist- ähnlich ist es beim Unterricht. Natürlich habe ich als Ausbilder einen Plan und ein Bild, wo es hingehen soll, aber ich muss immer bereit sein, den Weg und vielleicht auch das Bild abzuändern und zu modifizieren, denn im Endeffekt gibt das Pferd und dessen Mensch den Weg vor an dem ich mich orientieren muss und darf, aufeinander hören und gemeinsam lernen.
Es gibt so viel zu lernen
Es gibt für jeden so viel zu lernen von Pferden, da sie alle so unterschiedlich sind, man muss es nur zulassen und sich auf die Reise begeben, das eigene Ego in den Hintergrund stellen und sich auf das positive fokussieren, niemand weiss und kann alles und jeder kann von jedem etwas lernen. Sehr oft denke ich z.B. im Unterricht „ach mensch, das müsste ich auch mal wieder machen oder das wäre doch eine gute Übung für eines unserer Pferde“.
Kürzlich wurde mir von einem guten Freund gesagt ich wäre so neutral wie die Schweiz. Das bin ich tatsächlich nicht. Auch ich habe, wie jeder Mensch, Eigenschaften wie Missgunst oder sehe etwas und denke mir vielleicht „was ist das denn für ein Mist“, aber ich versuche für mich zu reflektieren, dass dies nicht richtig ist, offen zu bleiben und demütig. Muss man wirklich jedes Video kommentieren und vor allem kritisieren, einen kleinen Ausschnitt den jemand preisgibt, ohne die Hintergründe zu kennen- kann ich mir anmassen, die einzige Wahrheit zu kennen?
Ja, es is wichtig eine klare Linie zu haben und Kritik ist auch konstruktiv, dann aber respektvoll und am Besten persönlich und nicht an Hand eines kleinen Ausschnitts. Würde ich das demjenigen auch persönlich sagen und lohnt es sich hierauf Energie zu verwenden, wer hat etwas davon und was löst die Kritik aus? Diese Fragen sollte man sich stellen, bevor man loslegt finde ich.
Offen bleiben und Ideen anpassen
Und dann gehe ich zu meinen Pferden und lerne wieder demütig zu sein, demütig vor so viel Unvoreingenommenheit, vor der Toleranz des Pferdes für die mangelnde menschliche Sensibilität, demütig vor einem Lebewesen das im Hier und Jetzt lebt, vor uneingeschränkter Zuneigung und Liebe.
Toleranz hört eben nicht da auf wo der eigene Horizont endet und bedeutet auch nicht alles hinzunehmen, sondern offen zu bleiben, zuzuhören, eine Meinung zu haben, aber dem anderen seine Meinung auch zuzugestehen, selbst wenn man nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommt.
Wir sollten bereit sein an uns zu arbeiten, offen zu bleiben, bereit sein unsere Ideen anzupassen und abzuändern- über den Tellerrand zu schauen. Was heute gut und richtig ist, ist morgen vielleicht anders, denn die Pferde geben den Weg vor, nicht das System.
Es gibt noch so viel zu lernen und zu erfahren, lasst uns gemeinsam auf die Suche gehen nach den Gemeinsamkeiten, nach dem Guten, nach dem Schönen, dem was eurem Pferd hilft, womit ihr euch wohl fühlt. Lasst uns offen bleiben und tolerant, lasst uns gemeinsam die Pferdewelt besser machen, lasst uns lernen von den Pferden, denn sie sind unsere wahren Lehrer und helfen uns dabei ein besserer Mensch zu werden, wenn wir es zulassen.