ALTKALIFORNISCHE REITWEISE

Die Geschichte der altkalifornischen Reitweise
Von Nordafrika auf die iberische Halbinsel
Der Weg in die neue Welt – die Adaption der Kriegsreiterei zur Gebrauchsreiterei am Rind
Die Besiedlung des heutigen Kaliforniens
Die altkalifornische Reitweise in der heutigen Zeit

Die Geschichte der altkalifornischen Reitweise

Die altkalifornische Reitweise oder auch Vaquero Horsemanship ist eine der letzten noch real praktizierten Gebrauchs-, bzw. Arbeitsreitweisen. Noch heute werden in Kalifornien und im Great Basin grosse Rinderherden zu Pferde gehütet, zu Brandings zusammen getrieben und vom Pferderücken aus kontrolliert- diese Arbeit wird von Männern, und einigen wenigen Frauen verrichtet, die stolz auf ihre Traditionen sind, diese leben und weiter bewahren möchten.

Aber welchen Ursprung hat diese Reiterei, die berühmt ist für ihre Reiter und Pferde, die wie von Geisterhand gelenkt in Leichtigkeit ihren Job ausführen, behände über unebenes Gelände galoppieren und ihren Reiter mit Stolz erfüllen konnten.

Von Nordafrika auf die iberische Halbinsel

Ihren Ursprung hat die Reiterei der California Vaqueros in der Reitkunst der spanischen Conquistadores welche erstmals 1492 unter der Führung des Genovesen Christoph Kolumbus auf dem amerikanischen Kontinent anlandeten. Die Reiterei der Spanier zu dieser Zeit wiederum war stark beeinflusst von der Reitkultur und den Ausrüstungsgegenständen der Mauren, bzw. der Berber Stämme Nordafrikas, welche sich nach der Besetzung der iberischen Halbinsel 711 n. Chr. bis zum Jahr 1210 n Chr. dort gehalten hatten. Diese waren es auch, die zahlreiche gebisslose Zäumungen nach Europa brachten, aus denen sich in Europa der Kapzaum und in der neuen Welt das Bosal entwickelte. Auch ihren Reitstil a la Gineta brachten sie mit, bei dem der Reiter mit kurzen Bügeln das Pferd mit den Beinen einrahmt und lenkt. In Europa wurde a la Brida geritten, mit langem Bein und über die Zügel, wodurch die Reiter weit weniger wendig und agil waren. In Mexico entwickelte sich eine Mischform, die a la Bastarda genannt wird.

Der Weg in die neue Welt – die Adaption der Kriegsreiterei zur Gebrauchsreiterei am Rind

Bei seiner zweiten Reise nach Amerika brachte Kolumbus bereits ca. 50 Pferde mit und zwischen 1493 und 1519 wurden Zuchtstationen in Jamaica, Santo Domingo und Kuba aufgebaut. Als Hernán Cortez 1520 Tenochtitlan, die Hauptstadt der Azteken, angriff verfügte er bereits über 84 für den Kampf trainierte und gut ausgebildete Reitpferde. Danach kauften die Spanier weitere Pferde von den Zuchtstationen auf den Inseln, um Siedlungen auf dem Festland aufzubauen. Den unterworfenen Ureinwohnern war es aber bei Todesstrafe untersagt Pferde zu reiten, oder gar zu besitzen, da man fürchtetet, diese könnten hierdurch einen Vorteil gegenüber den Eroberern erringen und sich gegebenenfalls gegen diese erheben. Das Reiten von Pferden war ein Privileg der Peninsularen (Spanier) und der Kreolen (Söhne der Spanier, die in Mexiko geboren wurden), welches sie sogar wahrnehmen mussten. So verfügte Cortez 1524, das diese beritten sein und , gemäss ihrer Fähigkeiten, mit Waffen ausgestattet werden sollten.
Die zunehmende Besiedlung Mexikos gepaart mit der Notwendigkeit der Zucht von Tieren zur Ernährung der Menschen erforderte aber immer mehr Pferde und Reiter, so dass immer öfter Ausnahmen von der Regel gemacht wurden und ausgewählte Männer der indianischen Ureinwohner die, wenn auch inoffizielle, Erlaubnis erhielten Pferde auszubilden und zu reiten.
Mit dem Wechsel vom Encomienda- System, welches mehr oder weniger auf der Versklavung der Ureinwohner beruhte zum Hacienda- System im Jahr 1542 wurde den auf den Ranchos arbeitenden Männern ein Minimallohn zugesprochen, so dass dieser Zeitpunkt wohl als die Geburtstunde der Vaqueros in der neuen Welt anzusehen ist. Am 16 Juni 1562 führte die spanische Krone schliesslich das erste Register für Nutztiere ein, welches verlangte, die im Besitz befindlichen Tiere der Haciendados mit einem Brandzeichen zu versehen und jährlich zweimal, im Frühjahr und Herbst, zusammen zu treiben um diese z.B. zu zählen, zu brennen oder zu kastrieren. Innerhalb der Gesetzgebung wurden sehr genaue Regeln aufgestellt, die besagten:

– Peninsularen und Kreolen durften Mayordomo (Kuhboss) sein.

– Mestizen, Mulatos und Schwarze durften Vorarbeiter sein.

– Die amerikanischen Ureinwohner durften nur beschäftigt werden um sich um den Viehbestand zu kümmern.

Obwohl immer noch grösstenteils illegal, waren die Spanier vermehrt gezwungen die Indios auf Pferde zu setzten und ihnen das Reiten beizubringen, da immer mehr Arbeitskräfte gebraucht wurden. Schliesslich wurde auch ihnen 1564 offiziell erlaubt zu reiten, allerdings mit Einschränkungen. Die Nutzung und das tragen spanischer Militärausrüstung wie Sattel, Kandaren und Sporen war ihnen weiterhin untersagt, ebenso der Gebrauch der Garrocha (Kriegslanze, welche auch zur Arbeit am Rind eingesetzt wird, der Spanier). Weiterhin mussten sie ihre eigene Ausrüstung herstellen und Leder tragen, damit sie leicht unterschieden werden konnten.

Dies gab ihnen den berühmten Namen „Cuerudos“, was „mit Leder bedeckt“ übersetzt werden kann.

Ein Grund des Verbots war der Mangel von Metall in der neuen Welt, ein weiterer die Vermeidung einer Revolution, bzw. eines Aufstand durch die Einheimischen.

Da ihnen der Gebrauch der Garrocha verboten war, mit deren Hilfe man Rinder kontrollieren oder auch legen konnte in dem man ihnen entweder mit einem sichelförmigen Messer (Hocking Knife) die Sehnen eines Hinterbeins durchtrennte um sie zum Stehen zu bringen oder sie mit einer Schlinge am Ende eines Stocks namens „Xara“ einfing, deren Ende am Schweif oder Sattelgurts des Pferdes befestig war, entwickelten sie andere Techniken für die tägliche Arbeit am Rind. Eine davon war z. B. sich den Schwanz des Tieres im vollen Galopp um das eigene Bein zu wickeln und dieses dann umzureissen, heute noch zu sehen bei den mexikanischen Charreadas.

Viel komfortabler und auch tierschonender war aber der Gebrauch der Reata, eines Seils, welches aus Naturmaterialien wie Rohhaut selbst hergestellt werden konnte und den mexikanischen Vaqueros die Möglichkeit gab kontrollierter mit den Rindern umzugehen. Über die Zeit entwickelten sie sich zu wahren Meistern dieses Werkzeugs und noch heute sind die Mexikaner die wohl besten Lassowerfer weltweit.

Die Technik der Lähmung von Rindern mit dem Hocking Knive wurde 1574 verboten, wodurch die Garrocha in der Rinderarbeit endgültig vom Lasso abgelöst wurde.

Während in der mexikanischen Kavallerie die Kandare mit Kapzaum zum Einsatz kam, adaptierten die Vaqueros eine Zäumung der Spanier welche ihren Ursprung im Norden Afrikas hat und bereits 4000 v. Chr. in Erscheinung trat zur Lenkung von Kamelen- die Hakma, ein Ring um die Nase des Pferdes, bei dem die Zügel entweder auf dem Nasenrücken oder am Unterkiefer eingeschnallt werden konnten. Mit Hilfe der ihnen bekannten Technik zum Flechten von Rohhaut schufen sie hieraus eine Zäumung, die die Nase des Pferdes umfasst und am Unterkiefer mit einem Knoten geschlossen ist. Durch das Anbringen von Zügeln aus Pferdehaar ergab sich eine höchst effektive Zäumung, die relativ einfach hergestellt werden konnten das Bosal, bzw. die Hackamore. Im Gegensatz zum Kapzaum, der als laterales Instrument immer mit einer Kandare als vertikalem Tool ergänzt werden musste, ergab sich hierdurch eine Zäumung, die sowohl lateral als auch vertikal wirkte und den Einsatz eines Gebisses optional, aber nicht notwendig machte. Ausserdem erfüllten sie hiermit die Vorgabe der Spanier, dass nicht spanischstämmige „Vaqueros“ ausschliesslich Ausrüstungsgegenstände aus organischen Materialien verwenden durften, die von ihnen selbst herzustellen waren.

Mit der Ordenza von 1631 wurden die Beschränkungen der Mesta abgeschafft und es wurde allen Einheimischen, Mestizen, Mulatos und Schwarzen ohne Unterschied der Rasse erlaubt in der Landwirtschaft zu arbeiten und zu reiten, wenngleich die Auflage zum Tragen von Leder weiterhin bestehen blieb.

Die Besiedlung des heutigen Kaliforniens

Es war immer ein grosses Ziel der Spanier Alta California (Hoch-, bzw. Oberlkalifornien) zu erreichen und zu besiedeln und hiermit den Engländern und Russen zuvor zu kommen, welche ebenfalls ein Auge auf diese Region geworfen hatte. Ca. 1532 entschied daher Hernan Cortés den Norden zu kolonialisieren und landete 1535 in einer Bucht die sie Laz Paz nannten in Baja California (Niederkalifornien). Ein Jahr später musste er allerdings nach Mexico zurück kehren, da die Vorräte zur Neige gingen. Erst als die spanische Krone den Jesuiten im Jahr 1686 eine grosse Menge an Geldern aus Steuern zur Verfügung stellte waren diese in der Lage eine Route von Missionen durch Arizona nach Kalifornien zu erstellen und hiermit eine Landverbindung ins heutige Kalifornien zu schaffen. Um 1700 kamen weitere Missionen im Santa Cruz Valley hinzu.
1767 vertrieb die spanische Krone die Jesuiten aus ihrem Herrschaftsgeist und 1769 befahl Karl III. von Spanien die Gründung der Missionen und Presidios im heutigen Kalifornien. Gemeinsam mit den Franziskanern baute das Militär die erste Mission in San Diego und 1770 folgte San Carlos. Weitere folgten entlang des El Camino Real, jeweils im Abstand von ca. 50 Meilen entlang der Küste, was einem Tagesritt entsprach. Auf diese Weise kam die spanische Reiterei sowie ihre Ausrüstungsgegenstände ins heutige Kalifornien.

Kalifornien wurde wohlhabend und zog geschickte mexikanische Handwerker an, die heute noch bekannt sind. Namen wie Jesus Mardueno, A. Martinez, B. Tapia, Estrada, Figueroa, Jose Francisco Ortega und andere zaubern noch heute jedem Sammler kalifornischer Gebisse , Sporen und Bosals ein Lächeln ins Gesicht.

Durch die exponierte Lage Kaliforniens und die Mentalität der Spanier entwickelte sich über einen Zeitraum von 1769 bis 1849, dem Beginn der Mession Era und dem Ende der Rancho Era, eine Reitkultur nach spanischem Vorbild in der Reiten nicht dem blossen Nutzen galt, sondern ein gut gerittenes Pferde seinen Besitzer gesellschaftlich auszeichnete und im einen höheren sozialen Stand und ein besseres Einkommen garantierte. Reiten wurde neben Tanz und Gesang auch als Kunst betrachtet und das warme Klima trug nicht zur Eile bei, sondern ermöglichte es den Vaqueros ganzjährig ihre Arbeit zu tun ohne dabei in Stress zu verfallen.

In ihrer Freizeit hatten sie nicht ganz ungefährliche Hobbys wie z.B. das Fangen von Grizzly Bären mithilfe eines Lassos- dass hierfür ein sehr gut gerittenes und an feinsten Hilfen stehendes Pferd von Nöten ist versteht sich von selbst. Die Arbeit wurde entsprechend der spanisch-mexikanischen Mentalität ohne Stress erledigt, was auch für die Pferdeausbildung galt, was heute nicht erledigt werden konnte machte man eben morgen- mañana.

Die Reitkunst und der Umgang mit der Reata der Vaqueros ist legendär und wenngleich der Ansatz sicher ein anderer war als in der heutigen Freizeitreiterei, so war ein gut gerittenes und einsatzbereites Pferd eine grosse Auszeichnung für den Besitzer und sicherte sein Auskommen und bessere Einkünfte bei der Arbeit auf den verschiedenen Ranches. In ihrer knapp bemessenen Freizeit produzierten sie weiterhin ihre eigenen Ausrüstungsgegenstände, was sich bis in die heutige Zeit fortgesetzt hat.

Die Wassertrense galt in dieser Zeit als die Zäumung der Farmer und bekam erst einen grösseren Stellenwert als im Rahmen des Goldrauschs ab 1884 mehr und mehr Siedler aus dem Osten über Land nach Kalifornien kamen und im amerikanischen Bürgerkrieg von 1861-1865 mehr und mehr Kavalleriepferde benötigt wurden, die schnell ausgebildet und nach dem selben System funktionieren mussten.

Die altkalifornische Reitweise in der heutigen Zeit

Auch heute werden im Westen der USA noch Rinder zu Pferde gehütet und die heutigen Vaqueros und Buckaroos sind stolz auf ihre Herkunft und ihre Traditionen, die altkalifornische Reitweise erlebt in den letzten Jahrzehnten eine Renaissance aber die grosse Zeit der der Rinderhirten des amerikanischen Westens endete mit den beiden Weltkriegen und wurde abgelöst durch eine moderner orientierte praktische Reiterei, in der es darum geht „nur“ denJob zu erledigen, wogegen es in der altkalifornischen Reitweise immer darum ging, diesen mit Stil, Klasse und Ehre zu tun.

Zahlreiche Traditionen wie z.B. die Vorliebe für ungerade Zahlen in den Kettengliedern der Zügelketten oder den Verzierungen auf Gebissen, sowie die Form derer zeugen noch immer von den Ursprüngen der altkalifornischen Reitweise. So haben die ungeraden Zahlen im Islam einen höheren Stellenwert und in den Formen der Gebissschenkel finden sich noch heute z.B. Halbmonde als Form. Auch das Chileno Ring Bit, welches neben dem Spade Bit und dem Half Breed Bit eines der traditionellsten Kandarengebisse dieser Reiterei ist wird noch heute im Norden Afrikas genutzt, von wo es seinen lange und weite Reise bis nach Kalifornien angetreten hat.
Die altkalifornische Reitweise bietet all denen ein zu Hause, die Wert auf eine feine und umfangreiche Ausbildung ihres Pferdes legen, ohne dabei den Bezug zur Arbeitsreiterei verlieren zu wollen und auch Spass an der Arbeit mit Rindern haben, wobei das Pferd, dessen Wohlergehen und Gesunderhaltung immer im Vordergrund stehen.

Artikel Feine Hilfen 2019

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