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BIOTENSEGRITY UND DAS LSG

Training, Reha und Therapie gehen Hand in Hand, daher schätze ich den Austausch mit Therapeuten, wie z.B. Katja Eser, sehr, die mich vor vielen Jahren auf dieses so wichtige Thema aufmerksam gemacht hat!
Die Hanken beginnen im Hüftgelenk!!!
Viele Ideen ranken sich in der Reiterei um die korrekte Position des Pferdebeckens, bzw die Versammlung und das Abkippen des Beckens.
Grund dafür, ein wenig Licht ins Dunkle zu bringen.
Schauen wir uns an, wie das Becken abkippen kann, so wird unser Auge schnell auf das Lumbosakralgelenk (LSG) gelenkt, der gelenkigen Verbindung zwischen Lendenwirbelsäule und Kreuzdarmbeingelenk.
Im Gegensatz zum Menschen, der in diesem Übergang lediglich eine Bandscheibe aufweist und daher wenig Spielraum im LSG hat, ist dieses beim Pferd als echtes Gelenk ausgeformt, mit einem Bewegungsradius in Beugung / Öffnung und Streckung / Schließung von 20-30 Grad.
Das Beckenkippen des Pferdes ist anatomisch mit einer Öffnung des LSG verbunden.
Eine oft gehörte These ist, daß durch das Beckenkippen der Brustkorb angehoben wird, was allerdings leider ein fataler Irrtum ist.
Der Brustkorb wird -wie der Name schon sagt- durch die Aktivität der Rumpfträger angehoben, also unter anderem durch den zwischen Schulterblatt und Rippen verlaufenden Musculus Serratus thoracis, welcher mit der Hinterhand keinerlei direkte Verbindung hat.
Wie alle Lebewesen sind auch Pferde in ihren Strukturen tensegral aufgespannt, was dazu führt, daß es im Körper keine Hebel gibt.
Aber selbst wenn wir Hebel hätten, wird schon beim Blick auf das Skelett eines Pferdes unter rudimentärer Betrachtung der Hebelgesetze auch jedem Laien klar, daß ein Heben des Brustkorbs aus der Hinterhand nicht funktionieren kann.
Richtig hingegen ist, daß ein Abkippen des Beckens und eine damit einhergehendes Öffnung des LSG eine korrekte Hankenbeugung schlicht unmöglich macht, denn die Beckenkippung führt im Hüftgelenk zwangsläufig zu einer Vergrößerung des Hüftgelenkswinkel, was wiederum einer Verkleinerung der Winkel in Knie und Sprunggelenk verhindert. Dies steht einer Hankenbeugung diametral entgegen. Hierbei gibt es auch kein korrektes oder nicht korrektes Abkippen des Beckens, sondern nur eine mehr oder weniger große Öffnung des LSG, welche in beiden Fällen pathologisch ist.
Die Möglichkeit zur Öffnung des LSG besteht, damit das Pferd in der Schwebephase des Galopps beide Hinterbeine weit nach vorne führen, beim Urinieren und Äppeln und auch beim Liegen das Becken abkippen kann.
Im Moment der Lastaufnahme der Hinterhand allerdings MUSS das LSG geschlossen sein, um eine physiologische Kraftübertragung der Hinterhand über den Rücken nach vorne zu gewährleisten.
Kippt das Pferd das Becken ab und vergrößert sich dadurch der Hüftgelenkswinkel wird die Kraft der Hinterhand quasi hinter dem Sitz des Reiters nach aufwärts-rückwärts geleitet, wodurch es dem Pferd unmöglich gemacht wird, “in der Kraft” zu arbeiten. Auf Dauer führt dies zu einem Absinken des Brustkorbs und einer Überlastung der Vordergliedmaßen.
Auch wenn es häufig anders gelehrt wird: ein Abkippen des Beckens ist NICHT wünschenswert und hat nichts mit Versammlung zu tun, sondern mit dem Zwang des Pferdes, ein unphysiologisches Bewegungsmuster in langsamen Tempo und der Kontrolle der Kräfte zum (vermeintlichen) Vorteil des Reiters und zum Schaden des Pferdes.
Im Übertragenen Sinne durchaus vergleichbar mit der viel gescholtenen Rollkur, nur vom anderen Ende des Pferdes her!