Die Sache mit dem Druck.
Ein grosses Prinzip der modernen Pferdeausbildung ist, dem Pferd beizubringen auf Druck zu weichen. Ein Prinzip, welches man einem Fluchttier wie dem Pferd eigentlich überhaupt nicht beibringen müsste, da es sowieso, seiner Natur entsprechend, dem Druck weicht bzw. flieht.
Natürlich ist es wichtig ein Pferd zu erziehen bzw. eine gemeinsame Kommunikation aufzubauen, so dass es den Signalen des Menschen folgt, aber betrachten wir das Thema doch einmal andersherum:
Viele Pferde werden darauf trainiert, möglichst IMMER und ohne Nachfrage, dem Druck zu weichen: der Zäumung, dem Bein, dem Leitseil usw…
Aber gibt es nicht auch Situationen in der Ausbildung eines Pferdes, in denen eben genau dieses Verhalten das genaue Gegenteil von dem darstellt, was wir eigentlich möchten?
Ja, die gibt es – und zwar beim Reiten.
Nimmt der Reiter auf dem Pferderücken Platz, so möchte er, dass dieses den Brustkorb hebt und damit auch den Sattel und den Reiter nach oben stemmt, sich im Sinne der Tensegrität aufspannt, gross wird und Raum einnimmt, statt dem Druck zu weichen und quasi in sich zusammen zu fallen.
Also möchten wir quasi im essentiellsten Teil der Ausbildung eines Reitpferdes genau das Gegenteil von dem, was wir ihm jahrelang beigebracht haben, wie aber soll es das bitte verstehen?!
So touchierte zum Beispiel der französische Reitmeister François Baucher die Brust seiner Pferde in der Grundausbildung, aber nicht etwa um diese rückwärts weichen zu lassen, sondern eben so lange, bis diese gegen den Druck der Gerte nach vorne gingen – also gegen den Druck.
Eben dieses erlernen (was beim Pferd angelegt ist), auch gegen den Druck zu gehen, ist was heute häufig vergessen oder sogar als negativ abgetan wird: ein fataler Irrtum.
Nutzt also Möglichkeiten, in denen ihr eurem Pferd auch dieses Prinzip vermitteln könnt, denn Pferde sind sehr intelligente Lebewesen und können durchaus, der Situation angepasst, beides anwenden – dem Druck zu weichen und “dagegen” zu gehen.
Möglichkeiten hierzu gibt es viele. Arbeitet ihr zum Beispiel an Rindern, so sollte das Pferd auch in der Lage sein ein Rind mit der Schulter oder Brust weg zu schieben oder einen am Lasso befindlichen Gegenstand (es muss ja kein lebendes Tier sein) zu ziehen. Aber auch ein grosser Gymnastikball eignet sich, um eben diesen anzuschieben. Seid kreativ und schafft Situationen, in denen das Pferd lernen kann eben nicht immer zu weichen, denn wenn es gelernt hat seine thorakale Muskelschlinge bzw. die Rumpfträger zu nutzen, sich tensegral auszuspannen, gross zu werden und den Raum einzunehmen, ja – stolz zu sein, dann habt ihr einen enorm wichtigen Baustein gesetzt, ohne den die Ausbildung eines gesunden Reitpferdes schlicht unmöglich ist.