Auf meinen Kursen starte ich meist mit einer Vorstellungsrunde in der die Reiter kurz etwas über sich und ihr Pferd erzählen können und ausserdem über ihre Nah- und Fernziele.
Öfter höre ich dann fast entschuldigend den Satz „Ich reite eigentlich fast nur im Gelände“, als wäre das kein „echtes Reiten“. Diesen Reitern antworte ich meist, dass das doch grossartig ist und eigentlich ja auch genau das wofür Pferde geschaffen sind.
Ausserdem finde ich es eine grossartige Leistung mit seinem Pferd im Gelände verschiedene Aufgabenstellungen zu bewältigen, wodurch die Partnerschaft zwischen Pferd und Reiter extrem gestärkt wird. Für mich kann ein dressurmässig geschultes Pferd noch so tolle Bewegungen haben, wenn der Reiter in der Ehrenrunde ein anderes Pferd nehmen muss, oder nicht in der Lage ist, dieses Potential auch im „echten Leben“, sei es in den Arbeitsdisziplinen oder eben im Gelände auszuschöpfen, bzw. hier ein ruhiges und gelassenes Pferd zu zeigen, dann fehlt schlicht ein ganz grosser Teil in der Ausbildung.
Gehen wir in der Zeit etwas zurück, so war die Dressur immer dazu bestimmt, das Pferd darauf vorzubereiten einen praktischen „Nutzen“ zu erfüllen. Sei es in der Kampfkunst zu Pferde Mann gegen Mann mit Hieb- und Stichwaffen oder den Arbeitsreitweisen Europas oder Amerikas.
Auch die Pferde der modernen Kavallerie wurden immer zu einem Grossteil im Gelände geschult.
In früheren Zeiten war es z. B. gang und gäbe junge Pferde locker vorwärts über gepflügte Äcker zu traben um diese ihr natürliches Gleichgewicht unter dem Reiter und ihre Trittsicherheit verbessern zu lassen und in den Arbeitsreitweisen Nordamerikas fand und findet quasi die komplette Ausbildung im täglichen „Job“ auf den Ranches statt.
Wir sollten also gerade dem Reiten im Gelände einen hohen Stellenwert beimessen und unsere Pferde nicht ausschliesslich in der Reitbahn schulen.
Welche Vorteile ergeben sich aber aus der Arbeit mit dem Pferd im Gelände?
Ein ganz wichtiger Aspekt ist mit Sicherheit die Sinnhaftigkeit seines Tuns für das Pferd. Aus Pferdesicht ist es völlig widersinnig in der Reitbahn z. B. einen Zirkel bei A zu beginnen und Kreis um Kreis zu laufen, ohne irgendwo anzukommen. In seiner Logik wäre es für das Pferd viel schlauer einfach bei A stehen zu bleiben. Das Gelände bietet dem Pferd also einen sehr natürlichen Vorwärtsimpuls mit mehr Freude und Sinn- viele Reiter bestätigen daher auch das ihre Pferde im Gelände viel fleissiger und freudiger vorwärts gehen.
Gerade mit jungen Pferden gehe ich gerne sobald als möglich nach draussen wenn sie antreten und anhalten verstanden haben. Es ist viel einfacher einem Pferd z.B. das Lenken beizubringen wenn wir hierbei einem Waldweg folgen und nicht auf, für das Pferd nicht lesbare, Bahnbuchstaben zureiten.
Ein zweiter Aspekt ist die natürliche Balance des Pferde unter dem Reiter, die ich im Folgenden als Gebrauchshaltung benennen möchte. Durch verschieden Untergründe, häufige Richtungswechsel, verschiedene Tempi und Gangarten sowie flache und eher hügelige Passagen lernt das Pferd mit nur minimalem Zutun des Reiters sich unter diesem effektiv auszubalancieren und eine gute Gebrauchshaltung im Sinne der Tensegrität einzunehmen. Es spannt seine Strukturen auf, lernt seinen Körper effektiv und gesund zu benutzen und wird trittsicherer.
Dies lässt sich bereits bei jungen Pferden an der Hand beim Spaziergängen oder auch als Handpferd mit einem erfahreneren Führpferd sehr gut entwickeln und beobachten.
Hinzu kommt die Losgelassenheit und Coolness des Pferdes. Im Gelände werden Pferde mit zahlreichen Reizen konfrontiert, sei es durch Sicht, Geruch, Geräusch und auch haptische Reize.
Ob im Sattel oder auch am Boden können Mensch und Pferd so zusammen lernen und zusammenwachsen zu einem Team welches gemeinsam durch dick und dünn gehen kann.
Auch die Gesundheit des Pferdes im Allgemeinen profitiert natürlich von der Geländearbeit. Neben der abwechslungsreichen Bewegung und viel frischer Luft entwickelt sich z.B. ein Huf ganz anders und viel besser, wenn er häufig mit verschiedenen, auch harten, Untergründen konfrontiert wird.
Viele weitere Vorteile könnte man hier aufführen um die Liste zu komplettieren.
Mir geht aber nicht darum die Arbeit in der Reitbahn oder die im Gelände als besser oder schlechter darzustellen, sondern vielmehr beide zu verknüpfen und aufzuzeigen, wie beide voneinander profitieren können ohne diese wirklich voneinander abgrenzen zu wollen.
Häufig wird in der Reitbahn Dressur geritten und im Gelände geht es entspannt zu, was mit Sicherheit nicht verwerflich ist, aber warum nicht beides verbinden.
Ein langer gerader Reitweg eignet sich z.B. hervorragend für flache Zick-Zack Traversalen, SchulterHerein Reprisen oder auch andere Kombinationen der Seitengänge jeglicher Art.
Eine Weggabelung bietet einen hervorragenden Minireitplatz für ein paar Pirouetten im Schritt oder auch Trab und Galopp, wenn das Pferd entsprechend ausgebildet ist.
Ein einzeln stehender Baum bietet quasi einen natürlichen Pilar zum Umreiten in einer schönen Biegung oder ebenfalls zur Anwendung verschiedener Seitengänge.
Gehen wir also gemeinsam auf einen kleinen imaginären Ausritt auf einer meiner Lieblingsstrecken.
Ich persönlich verwende die ersten Meter gerne um eine Stück zu Fuss zu gehen und nutze dann nach ca. 400 Metern die Bank am Beginn eines kleinen Anstiegs hin zum Wald als Aufstiegshilfe, an der das Pferd natürlich an die Aufstiegshilfe seitlich heran treten soll.
Der dann folgende Anstieg ist schonmal die erste Bewährungsprobe für Flachlandpferde und auch eher hektische Pferde haben sich meist beruhigt, bis es wieder etwas ebener wird.
Kurz vor dem Wald befindet sich ein ziemlich abschüssiges Wiesenstück, welches sich wunderbar zum Üben vom Hinterhandwendungen eignet. Haben wir ein eher ruhiges Pferde, dass etwas mehr Energie vertragen könnte, so reiten wir bergauf, halten an, drehen uns in die Bewegungsrichtung, nehmen den äußeren Schenkel leicht zurück, während wir mit dem inneren Platz machen und leiten mit einem kleinen Zügelsignal beider Zügel in Richtung innerer Schulter des Reiters die 180 Grad Wendung ein. Die Energie kommt hierbei vom äusseren Schenkel, der das äussere Hinterbein beschleunigt und die Kruppe verwahrt. Durch das Gefälle bringt das Pferd automatisch mehr Energie in die Wendung.
Bei einem Pferd mit viel Energie machen wir die Wendung in Richtung bergauf, was wesentlich mehr Kraft benötigt. Je nach Ausführung können wir die Übung 1-2 Mal wiederholen bevor es weiter geht.
Im Wald angekommen wir das Gelände wieder etwas flacher aber es finden sich immer einige kleine und auch grössere Äste am Rand, die quasi als natürliche Cavalettie dienen, das Pferd dazu animieren seine Beine zu heben und die Schritte oder Tritte zu kontrollieren.
Einige Meter weiter kommen wir an eine Kreuzung mit einem grossen mittig wachsenden Baum. Möchten wir die Hüfte des Pferdes noch etwas lockern umrunden wir diesen im SchulterHerein mit etwas mehr seitwärts, möchten wir die Versammlung stärken entscheiden wir uns eher für das SchulterVor auf maximal 3 Hufschlägen.
Hierzu sitzen wir mittig, bzw. minimal auf dem inneren Sitzbeinhöcker (abhängig von der jeweiligen Bewegungsphase des Pferdes und drehen unseren Oberkörper leicht in Richtung des Baumes. Der innere Sitzbeinhöcker und Oberschenkel des Reiters geben dem Pferd die Biegung vor, während der äussere Zügel am Hals die Schulter nach innen führt und in Richtung der inneren Schulter des Reiters wirkt, ohne dabei die Hand über den Widerrist nach innen zu führen. Der innere Schenkel treibt am Gurt auf das abfussende innere Hinterbein. Der äußere Schenkel achtet etwas zurück gelegt darauf dass die Kruppe des Pferdes nicht ausbricht und auf der gedachten Kreislinie bleibt, so dass die Hinterbeine nicht kreuzen und sich parallel zur Kreislinie bewegen. Wenn nötig erhält der innere Zügel die Stellung. Das innere Hinterbein und äussere Vorderbein laufen hierbei auf der selben Linie. Möchten wir statt mehr Versammlung mehr Mobilisation der Hüfte kann die Abstellung auf 4 Hufschläge geändert werden, wobei jedoch das äussere Hinterbein nicht mehr unter den Schwerpunkt treten und somit auch keine wirkliche Last aufnehmen kann.
Grundsätzlich wäre der innere Bügel leicht ausgetreten, drückt das Pferd aber nach innen kann ein leichter Bügeltritt aussen auf das abfussende äussere Vorderbei Abhilfen schaffen.
Nach einem entspannten kleinen Trab am lockeren Zügel in Gebrauchshaltung um ein paar lang geschwungene Kurven und einem keinen Sprung über einen Graben, bei dem ich hauptsächlich darauf achte das Pferd nicht zu stören (Springen gehört nicht zu meinem Paradedisziplinen :)) kommen wir auf einen schönen geraden Waldweg der sich hervorragend eignet um flache Traversalen zu reiten. Hierdurch kann das Pferd seine äußere Körpehälfte maximal dehnen und wir können ihm helfen, dass jeweils mehr tragende Hinterbein etwas weg vom Körper und das mehr schiebende weiter unter den Schwerpunkt zu reiten. Es macht also Sinn sich zu überlegen, welcher Seitengang dem Pferd nutzt und welcher vielleicht sogar eher das Problem verschlechtern könnte. Bei meinem Pferd ist die Linkstraversale sinnvoll, weshalb ich am rechten Wegrand beginne, diese aus einem SchulterVor einzuleiten. Dies hilft mir sicherzustellen, dass die Schulter in der Traversale nicht vom Hinterbein überholt wird, wodurch sich das Pferd in seiner Bewegung selbst blockieren würde. Ich belaste ein wenig den inneren Sitzbeinhöcker und schiebe diesen nach vorne, während ich den inneren Bügel leicht austrete, das innere Knie ist am Pferd um die Biegung zu erhalten. Der äußere Schenkel geht leicht zurück und führt die Kruppe mit nach vorwärts seitwärts, wobei die Beine des Pferdes nicht kreuzen sollten um unnötige Scherkräfte in den Gelenken zu vermeiden. Ein hufbreit seitwärts pro Schritt oder Tritt ist hier optimal. Der äussere Zügel führt wiederum die Schulter und der innere kommt nur zum Einsatz, wenn das Pferd Hilfe bei der Stellung im Genick benötigen sollte. Sollte das Pferd die Kruppe nicht mitnehmen kann ich meine äussere Schulter ein wenig mit zurück nehmen, was dann meist sehr hilfreich ist. Grundsätzlich achte ich darauf, dass der Hals des Pferdes nur minimal gebogen ist und die Nase nicht weiter nach innen kommt als das innere Buggelenk des Pferdes, das Pferd sonst in der Brustwirbelsäule nach aussen rotieren und hierdurch die Biegung verlieren würde.
Vor uns liegt nun ein langgezogener flacher Anstieg mit gutem weichem Boden, perfekt für die schönste Gangart, den Galopp. Der leichte Anstieg ist gerade für stürmische Pferde gut geeignet, da sie dann naturgemäss ruhiger galoppieren und weniger die Tendenz haben ihrer eigenen Balance hinterher zu laufen, in diesem Fall lasse ich die Zügel lang und geniesse einfach die Dynamik und das Gefühl von Freiheit, achte aber darauf, dass wir im gewünschten Galopp angaloppieren und auch bleiben. Auf der Geraden bietet es sich an den Galopp zu nehmen, der dem Pferd in der Biegung noch mehr Schwierigkeiten bereitet um hierfür eine gewisse Routine zu entwickeln und das Pferd die Bewegung erfahren zu lassen. Sollte das Pferde hier Schwierigkeiten haben kann ich diesen z.B. durch ein Schenkelweichen einleiten in dem ich z.B. für den Linksgalopp das Pferd nach rechts stelle, den rechten Schenkel etwas zurück nehme und es zum Galopp ermuntere beispielsweise mit Stimme.
Vor wir oben sind nehmen wir die Zügel wieder leicht auf, denken uns in den 2Takt des Trabes und ein wenig an SchulterVor um das innere Hinterbein unter den Schwerpunkt zu bekommen, atmen aus und parieren in einen ruhigen Trab mit anschliessendem Schritt durch.
Den Rückweg lassen wir entspannt angehen bis wir zum Waldausgang kommen und wieder den Anstieg hinunter müssen, natürlich im Schritt.
Unsre Waden stabilisieren die Kruppe des Pferde und wir reiten in ganz langsamem Tempo lotrecht sitzend ein paar Meter in gerader Linie bergab,dasfördert die Balance. Hierbei achten wir darauf, dass das Pferd das Genick nicht fallen lässt und aktiv seine Hinterhand einsetzt um nicht die Hauptlast mit der Vorhand abfangen zu müssen.
Nun ist es Zeit abzusteigen, da unsere Pferde wirklich eine grossartige Leistung vollbracht haben, und gemeinsam zu Fuss nach Hause zu gehen.