Als Ausbilder für altkalifornisches Westernreiten ist Alex Zell genau der Richtige für die Beantwortung von Fragen rund um die Sitzschulung im feinen Westernreiten. Er erklärt die Unterschiede zum modernen Westernsport und setzt auf Gefühlsschulung und Reduktion von Einwirkung. Warum lesen Sie hier im Interview, für das FEINE HILFEN Autorin Agnes Trosse ihn befrage.
Interview:
FEINE HILFEN: Gibt es Unterschiede in den Anforderungen an den Reitersitz zwischen der klassischen Reitweise und der altkalifornischen Westernreiterei? Wenn ja, welche?
ALEX ZELL: Beide haben ja grundsätzlich denselben Background: Sowohl der Kampf zu Pferde als auch die Arbeit am Rind macht einen funktionalen und biomechanisch korrekten Sitz unabdingbar.
In der klassischen Reiterei trat im Barock der Bezug zum angewandten Reiten, wie es zuvor hauptsächlich im Krieg angewendet wurde, zunächst stark in den Hintergrund und Reiten avancierte zur Kunst.
In der altkalifornischen Reiterei hat die Arbeit am Rind einen sehr hohen Stellenwert. Sie ist Grundlage und Ziel dieser Reiterei.
Natürlich wird das Pferd auf den Sitz geschult, aber in einer Arbeitssituation ist der Sitz nicht immer unbedingt genau so, wie er sein sollte. Das heißt, dass ähnlich wie im Kampf zu Pferde mit Hieb und Stichwaffen der Sitz zielorientiert angepasst wird. Ziel ist die perfekte Symbiose zwischen Funktionalität, Stil und Klasse. Der Job wird quasi zur Kunst erhoben. Dies grenzt die altkalifornische Reitweise auch deutlich vom modernen Westernreiten ab.
In der Regel korrespondieren ein biomechanisch korrekter Sitz und seine Funktionalität in der Arbeitssituation aber sehr gut.
FEINE HILFEN: Gibt es Unterschiede in Sitz und Einwirkung zwischen der altkalifornischen Reitweise und der modernen Westernreiterei? Welche sind das?
ALEX ZELL: In der altkalifornischen Reitweise wird, entsprechend ihres Ursprungs und der dahinter stehenden Lehre, der Fokus auf einen biomechanisch korrekten Sitz gelegt. Dieser macht es dem Pferd möglichst einfach und verständlich, die Anforderungen auszuführen. Es geht darum, das Pferd in seinen Bewegungen nicht zu stören bzw. es zu unterstützen und ihm die Arbeit leicht zu machen. Der Reitersitz folgt der Bewegung des Pferdekörpers, so dass beide wie ein Lebewesen agieren können.
Im modernen Westernsport geht es darum, dass sich das Pferd dem Ideal der Prüfung entsprechend bewegt. Es wird zum Beispiel häufig aussen gesessen, da eine starke Biegung in einigen Disziplinen schlicht unerwünscht ist und man durch Gegensitzen dieser entgegen wirken kann. Auch Pferde vom Gewicht weg zu reiten wird von einigen Reitern gerne praktiziert. Ausserdem ist die Bügellänge im Turniersport meist deutlich kürzer.
Im modernen Turniersport wird entweder das Pferd oder der Reiter bewertet. In der altkalifornischen Reitweise geht es darum, den Job effektiv und elegant zu erledigen – Pferd und Reiter bilden eine Einheit deren Verbindungspunkt der Sitz ist.
FEINE HILFEN: Was ist für Ihre Begriffe am wichtigsten, damit der Reiter korrekt einwirken kann?
ALEX ZELL: Ein ausgeprägtes Gleichgewicht und die Losgelassenheit beim Reiter, sowie das Gefühl wann sich welches Pferdebein wie bewegt. Das ist eine Information die das Pferd sozusagen an den Sitz des Reiters weitergibt. Der Sitz muss also erstmal ein möglichst guter Informationsempfänger werden, bevor er überhaupt Informationen vermitteln kann.
Die vorrangig wichtigste Hilfe ist es, das Pferd nicht zu stören. Ein aktiv einwirkender Sitz ist meist schon viel zu viel und verwirrt das Pferd, statt ihm zu helfen. Weniger ist auch hier mehr.
FEINE HILFEN: Was halten Sie von Sattelpads oder Fellsätteln?
ALEX ZELL: Es kommt darauf an wofür. Wir haben z. B. ein Marik-Pad und ich liebe es zum Anreiten oder für kurze Einheiten, da man einfach extrem viele Information vom Pferderücken bekommt. Es schult den Sitz und auch für eine kurze Einheit am Rind ist es durchaus zu gebrauchen.
Für längere Ritte oder die Arbeit zu Pferd sind diese baumlosen Geschichten allerdings meiner Meinung nach ungeeignet und auch nicht konzipiert. Auch sollte man sich den Rücken des jeweiligen Pferdes vorher genau anschauen und sich ehrlich eingestehen wie schwer man ist und wie gut der eigene Sitz ist, bevor man diese Pads benutzt. Ein Pad sollte kein Sattelersatz sondern eine Ergänzung sein. Zur Sitzschulung und zur Schulung einer feinen Kommunikation ist es jedoch durchaus zu empfehlen.
FEINE HILFEN: Welchen Stellenwert hat in Ihrem Unterricht der Sitz des Reiters? Wie gehen Sie bei der Korrektur von Sitzfehlern vor? Worauf legen Sie besonderen Wert?
ALEX ZELL: Der Sitz ist die Hilfe, die der Reiter nicht abstellen kann. Das Pferd muss also von Anfang an darin geschult werden, wie es auf den Sitz reagieren soll. Deshalb hat der Reitersitz natürlich einen hohen Stellenwert in meinem Unterricht.
Allerdings ist es häufig nicht sinnvoll, direkt daran zu arbeiten, da der Reiter dann häufig zu viel macht und das Pferd verwirrt. Über Umwege kommt man hier oft besser ans Ziel.
Schön ist es natürlich, ein gut ausgebildetes Pferd zur Verfügung zu haben, damit der Reiter erstmal fühlen und seine Motorik der des Pferdes anpassen kann.
Besonderen Wert lege ich auf einen funktionalen Sitz, der für jeden Reiter individuell ist. Der menschliche Körper lässt sich genau so wenig in ein Schema pressen wir der des Pferdes.
Es gibt einige Reitmeister neuerer Zeit, die nach klassischen Kriterien Sitzfehler zeigten wie z. B. einen runden Nacken oder ein Hohlkreuz. Trotzdem waren, bzw. sind sie in der Lage ganz wunderbar mit ihren Pferden zu kommunizieren. Versucht man einen Reiter mechanisch in eine Positur zu quetschen, der sein Körper nicht gewachsen ist, wird das Ergebnis nicht zufriedenstellend sein. Das soll keine Rechtfertigung sein, wie ein Sack Kartoffeln auf dem Pferd zu hängen, aber meiner Meinung nach folgt die Form der Funktionalität.
FEINE HILFEN: Wie erkenne ich als Reiter, dass es an meinem Sitz liegt, dass etwas im Zusammenspiel mit dem Pferd nicht klappt?
ALEX ZELL: Indem ich alle sekundären Hilfen (Schenkel und Zügel) abstelle und mich auf das Wesentliche konzentriere, also die Sitzhilfen. Leider neigen wir als Menschen häufig dazu mehr zu machen, wenn etwas nicht funktioniert. Oft ist genau das Gegenteil richtig. Vor allem in der Reiterei.
Wenn ich nur versuche mein Pferd am Sitz zu fühlen und dann aus dieser Kommunikation evtl. wieder feine sekundäre und erklärende Hilfen hinzufüge, dann bin ich auch in der Lage durch meinen Sitz in das Pferd hinein zu horchen und zu erkennen, woran wir gemeinsam arbeiten müssen.
FEINE HILFEN: Gibt es Möglichkeiten, wie ich mich selbst korrigieren kann oder sollte das immer ein Sitzschulungs-Spezialist tun?
ALEX ZELL: Zur Selbstkorrektur eignet sich ein Spiegel gut. Noch besser ist natürlich eine Videokamera, die einem relativ schonungslos die eigenen Defizite aufzeigt. Ausserdem benötigt man natürlich die Bereitschaft zur Selbstkritik. Dann kann man auch ohne einen Experten viel erreichen. Der beste Sitzschulungsspezialist hat vier Beine und gibt dem Reiter ein direktes Feedback.
Natürlich ist auch die Arbeit mit einem menschlichen Experten wichtig und sinnvoll und nach Möglichkeit sollte man sich so oft wie möglich verbessern und korrigieren lassen. Leider gehören heute Longenstunden nicht mehr zur Standardausbildung des Reiters, was ich sehr bedauerlich finde.
FEINE HILFEN: Meinen Sie, dass Pferde alle Hilfen, die wir mit unserem Körper geben speziell lernen müssen oder gibt es Hilfen, die von sich aus per se schon vom Pferd verstanden werden, ohne dass man sie erklären muss? Wenn dem so ist, welche sind das?
ALEX ZELL: Ein Pferd wird immer versuchen unter das Gewicht zu treten und die Balance beizubehalten. Wenn wir uns dies klar machen und das zu nutzen wissen, sind wir in der Ausbildung schon einen grossen Schritt weiter. Ausserdem wird es als Fluchttier immer eine „offene Tür“ suchen, weshalb es so wichtig ist in der Ausbildung eben genau diese immer zu garantieren.
FEINE HILFEN: Wie präzise muss ich als Reiter schon an der Basis an meiner Hilfengebung arbeiten, damit ich mein Pferd bis zu hohen Lektionen fördern kann? Wie sieht das z.B. bei den Hilfen zur später angestrebten Piaffe aus? Was raten Sie den Lesern hier im Bezug auf ihren Sitz und dessen Einwirkung?
ALEX ZELL: Jede Lektion ist die Folge einer guten Basisarbeit. Hat das Pferd die Hilfen verstanden und ist der Reiter in der Lage jedes Pferdebein so zu positionieren wie er möchte kann er auch jede Lektion reiten. Heisst: Gerade in der Arbeit an höheren Lektionen zeigt sich, was in der Basis versäumt wurde und erneut geschult werden muss.
Gerade die präzise und selbstreflektierende Arbeit an der Basis ist also unerlässlich – allerdings ohne das Pferd damit zu frustrieren und zu Fehlergucker zu werden.
Im Bezug auf die Piaffe muss das Pferd sich am Sitz im Schwerpunkt zurück verlagern lassen und vor dem Bein bleiben, dann wird es sich auch zunehmend in den grossen Gelenken der Hinterhand beugen.
Ist der Reiter in der Lage das Pferd im Schritt zu versammeln bis zum Schulschritt, so muss er lediglich Schwung und Takt erhöhen und dem Pferd die Piaffe erlauben, welche auf Grund ihres schnelleren Wechsels der Diagonalen einfacher ist. Eine gute Piaffe fühlt sich sehr unspektakulär an, genau wie ein gut gehendes Pferd immer bequem ist. Das Schwierige daran ist nur, dass ein bequemes Pferd sich nicht unbedingt immer „richti bewegt“. Im Endeffekt geht es immer um eine gute Basisarbeit, egal wie “hoch” die Lektion ist.
FEINE HILFEN: Wie viel Einfluss hat der Sattel auf den Sitz des Reiters? Und was muss dabei speziell bei der Nutzung von Westernsätteln beachtet werden?
ALEX ZELL: Der Sattel ist enorm wichtig für einen korrekten Reitersitz und gerade im Westernsattelbereich gibt es leider nur sehr wenige Sattler, die in der Lage sind, den richtigen Kompromiss zwischen Arbeitssattel und dressurorientiertem Sitz zu realisieren.
Viele moderne Westernsättel sind leider für verschiedene Disziplinen des Westernreitens, wie z.B. die Reining optimiert in denen andere Prioritäten gesetzt werden.
Oft wird zwar auch auf eine gute Passform für das Pferd geachtet, aber nicht für den Reiter. Egal was für einen Sattel man verwendet. Der bestpassendste Sattel bringt dem Pferd nichts, wenn der Reiter nicht drin sitzen kann.
~ Feine Hilfen Ausgabe 25