Das Spade Bit ist nicht das einzige kalifornische Gebiss, aber zusammen mit dem Chileno Ring Bit und dem Half Breed Bit das traditionellste und bekannteste. Kein Bit polarisiert wohl so, wie das Spade. Von den einen glorifiziert und oft auch mystifiziert, von den anderen als martialisches Folterinstrument aus einer anderen Zeit gehasst und kategorisch abgelehnt.
Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Alleine das Spade im Pferdemaul bringt sicher noch kein Pferd dazu in perfekter Versammlung zu laufen und in den falschen Händen ist es in der Tat ein Folterinstrument für das Pferd.
Um das Spade zu verstehen, müssen wir uns zuallererst von der Idee der Kandare als Hebelgebiss verabschieden, denn genau dies ist es nicht. Das kalifornische Spade Bit ist ein Signal Bit, aber was heißt das?
Im Gegensatz zu vielen modernen Kandarengebissen wird es nie mit einer Kinnkette geritten, sondern verfügt lediglich über einen Kinnriemen aus Leder. Dieser funktioniert nicht als Gegenspieler zur Erzeugung eines Hebels, sondern stabilisiert lediglich das Bit im Pferdemaul und dient als Begrenzung, wenn der Reiter unbeabsichtigt doch zu stark einwirkt oder in Unfallsituationen. Grundsätzlich lässt sich also sagen, dass jedes Kandarengebiss so lange als Signal Bit agiert, so lange der Kinnriemen nicht in Kontakt zur Kinngrube des Pferdes kommt. Worauf aber reagiert das California Bridle Horse, wenn es nicht die Hebelwirkung zwischen Kinnriemen, Gebissstange und Nackenstück des Kopfstückes ist?
Betrachten wir das Spade genauer fallen zum einen der hohe Port und zum anderen die Sway Braces, die mit Kupferdraht oder Perlen ummantelten gebogenen Seitenteile auf. Genau diese Teile machen dieses Gebiss so einzigartig.
Durch die vergrösserte Auflagefläche und das meist gerade Mundstücke wird es dem Pferd erleichtert das Bit auf der Zunge zu balancieren und es aktiv mit dem Maul fest zu halten, bzw. zu tragen. Der Spade funktioniert hier ähnlich wie ein Lutscher bei kleinen Kindern und liegt auf der Zunge des Pferdes leicht auf. Das Pferd wird in der vorhergehenden Ausbildung in den Two Rein (nachdem es in der Hackamore geschult wurde) darauf konditioniert, das Bit zu tragen.
Es lernt den Kontakt der Zunge zum Bit zu suchen und reagiert letztendlich auf ein geringes Anheben des Spade von der Zunge mit Nachgiebigkeit bzw. einem Suchen der Herstellung des erneuten Kontaktes. Ausgehend von einem Loose Jaw Bit, also einem Bit mit beweglichen Cheeks erfährt es aber bereits ein vorhergehendes Signal durch die Bewegung der Cheeks and den empfindlichen Lippen und die darauf folgende Bewegung der Sway Braces in den Maulwinkeln, bevor der Spade sich überhaupt von der Zunge hebt. Diese Leichtigkeit und Sensibilität gilt es in der Ausbildung zu suchen und zu bewahren und genau das ist es, was mit Signal Bit gemeint ist. Das Pferd reagiert bereits auf feinste Signale, lange bevor der Kinnriemen überhaupt ins Spiel kommt und das Bit zum Hebelgebiss wird. Natürlich lässt sich theoretisch auch jedes andere Bit nach diesem Prinzip reiten, aber das Spade Bit bietet hierfür durch seine besondere Bauart optimale Vorraussetzungen.
Das gut gerittene Bridle Horse kann also theoretisch ohne Kinnriemen geritten werden, was zur Überprüfung des Leistungsstandes, bzw. der Sensibilität der Reiterhand auch kurzzeitig von den California Vaqueros praktiziert wurde und heute noch wird.
Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass das Spade auch am oberen Gaumen wirkt und wirken soll um dem Pferd zu signalisieren wieder die gewünschte Haltung einzunehmen, wenn es über den Zügel geht. Dies ist schlichtweg falsch. Zum einen wird eben genau dieser Kontakt zum oberen Gaumen durch den Kinnriemen begrenzt und zum anderen war die Handeinwirkung des Reiters schlicht weg zu stark, wenn der Spade den oberen Gaumen berührt.
Die Aktion des Spades im Pferdemaul findet findet also zwischen der Zunge und dem oberen Gaumen statt, ohne diesen zu berühren.
Hierdurch wird klar, dass dieses Bit wohl nur in die Hände von Könnern gehört, da sich die Zügelsignale bei dieser einhändig zu reitenden Zäumung im Millimeterbereich bewegen, möchte man es denn korrekt und seiner Bestimmung entsprechend anwenden.
So genial diese Konstruktion auch ist, die ihren Ursprung in der alten Welt hat, von den Spaniern nach Kalifornien gebracht und dort perfektioniert wurde, so gefährlich ist sie in den falschen Händen.
Richtig und korrekt eingesetzt ist das Spade Bit ein ziemlich geniales Kommunikationsmittel zwischen Reiterhand und Pferdemaul, welches allerdings wie jedes andere Bit nach physikalischen Grundsätzen funktioniert und rein gar nichts mystisches hat.
Durch seine Balance in Verbindung mit den Zügelketten und Romal Reins veranlasst es zwar das ausgebildete Pferd ohne Zügelimpuls in der gewünschten Kopfhaltung zu bleiben, da es in dieser am bequemsten zu tragen ist, das unausgebildete Pferd bringt es allerdings nicht durch sein blosses Vorhandensein zu irgendeiner erwünschten Kopf-Hals-Haltung – im Gegenteil. Es ist jahrelanges Training notwendig um das Pferd für das Spade Bit vorzubereiten und es letztendlich „straight up in the bridle“ zu reiten, so dass ein Aussenstehender keine Reiterhilfen mehr sehen kann, während sich das Pferd in höchster Präzision und Perfektion bewegt, denn genau das ist das Ziel der Vaquero Horsemanship.